Medical Tribune Onkologie – Hämatologie
Ausgabe 08.09.2022
„Kliniken mit hohen Fallzahlen erbringen in der Regel eine bessere Versorgungsqualität. Dort haben die Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal eine höhere Expertise“, betont Barmer-Chef Prof. Dr. Christoph Straub. Trotzdem gebe es eine Vielzahl kleinerer Häuser, die keine entsprechenden Teams vorhielten, aber Eingriffe vornähmen. Der Arzt mahnt: „Das bedeutet im schlimmsten Fall für Patientinnen und Patienten ein Lebensrisiko.“
Mit ihrem Report will die Ersatzkasse aufzeigen, dass sich viele Operationen in benachbarte Kliniken mit mehr Erfahrung verlagern ließen – ohne spürbar längere Anfahrtswege für die Patienten. „Somit könnten wir sofort die Versorgung für jährlich Zehntausende von Patientinnen und Patienten verbessern, ohne dass diese Nachteile erleiden.“ Die relativ wohnortnahe Versorgung wäre weiterhin gewährleistet.
Diese Aussage untermauert Studienautor Prof. Dr. Boris Augurzky vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung mit einer Analyse von Barmer-Daten für die Bereiche Endoprothetik und Osteosynthese sowie Kardiologie und Kardiochirurgie.In einer Simulation waren Klinikstandorte mit wenigen Eingriffen hinsichtlich einer Verlagerung von Patienten überprüft worden. Ausgangspunkt waren die Daten von knapp 500.000 Patienten pro Jahr mit Hüft- und Kniegelenkersatz, 28.000 Patienten mit traumatischer Versorgung gelenknaher Oberschenkelfrakturen, knapp 333.000 Patienten jährlich mit Herzkatheteruntersuchung und Stentimplantation sowie 47.000 Patienten mit Bypass-Operation.
Mehr als 95 % dieser Patienten erreichten 2019 einen Krankenhausstandort in weniger als 30 Minuten durchschnittlicher Fahrzeit. Allerdings wurden 5 % der endoprothetischen und osteosynthetischen Eingriffe sowie 3 % der kardiologischen und kardiochirurgischen Eingriffe an Standorten mit wenigen Fallzahlen durchgeführt.
Geprüft wurde konkret, inwieweit eine Verlagerung bei Ausweitung der Fahrzeit auf 40 und mehr Minuten möglich ist. Die Auswahl der Kliniken erfolgte dabei anhand von Schwellenwerten, die sich aus der Verteilung der Eingriffe über die Krankenhausstandorte ergeben.
Bei endoprothetischen und osteosynthetischen Eingriffen und einem Schwellenwert von 187 Fällen pro Jahr wurden letztendlich 268 Standorte unter Schwellenwert hinsichtlich einer Verlagerung geprüft.
Bei einem Schwellenwert in der Kardiologie von 186 Eingriffen pro Jahr wurden 211 Standorte betrachtet.Verlagerungspotenziale regional sehr unterschiedlich
Fazit: Mindestens 18.000 der Hüft- und Knie-OPs könnten an anderen Standorten durchgeführt werden, ohne dass sich die Fahrzeit für die Patienten deutlich verlängert. Von den Eingriffen am Herzen ließen sich über 8.000 verlagern. Bei höheren Schwellenwerten, so Prof. Straub, könnten sogar noch deutlich mehr Eingriffe an Kliniken mit mehr Expertise erfolgen, ohne dass die Erreichbarkeit darunter leide. Diese Potenziale gelte es konsequent zu heben, fordert der Kassenchef.
„Wo immer eine Verlagerung möglich ist, sollte sie daher erfolgen“, unterstützt dies Prof. Augurzky. Der Studienautor verweist zugleich auf regionale Unterschiede bei Verlagerungsmöglichkeiten. Ein hohes Potenzial gibt es in den Ballungsräumen von Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen sowie in den Stadtstaaten. In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen könnten dagegen nur wenige Verlagerungen erfolgen, ohne dass sich die Fahrzeiten auf über 40 Minuten erhöhen würden.
Quelle: Medical Tribune
Mit ihrem Report will die Ersatzkasse aufzeigen, dass sich viele Operationen in benachbarte Kliniken mit mehr Erfahrung verlagern ließen – ohne spürbar längere Anfahrtswege für die Patienten.